Gespartes Geld: gewogen, geschätzt, gemessen, gerechnet, genau gezählt

oder: erzähl mir dein Gewicht, und ich sage dir, wieviele du bist!

Es ergab sich zufällig, dass ich mich nach dem Errechnen der Photonenzahl auf meinem Kopf vorhin

in Quantifizierungslaune befand und einer Frage nachging, die mich schon seit geraumer Zeit beschäftigte:

Wie viel Geld befindet sich in meiner Spardose?

Denn es hatte sich irgendwann vor Jahren ergeben, dass ich eine Blechdose geschenkt bekam, in dem sich eine Spirituose befunden hatte. Aus irgendwelchen Gründen kam ich zu der Überzeugung, diese Dose mit Kleingeld zu befüllen, offiziell mit Allem, was kleiner ist als ein Euro – aber eine dringende Notlage zwang mich zwischenzeitlich einmal dazu, alle 50-Cent-Stücke wieder in den Umlauf zu bringen.

Die Dose ist nun also ziemlich voll, und ich wollte wissen, wie viel sich denn nun darin befindet. Es einfach nur zu zählen, fand ich ein wenig profan, und so habe ich mir zwei Verfahren überlegt, die Summe näherungsweise zu bestimmen:

1. Die relative Dichte
Das Kleingeld ist einigermaßen zufällig in der Dose verteilt. Da ich weiß, wie viel Volumen sie umfasst, könnte ich die Summe bestimmen, indem ich die oberste Schicht entnehme – z.B. einen Zentimeter – ausrechne, wie viel Geld diesem Zentimeter entspricht, und das auf die Dose hochrechnen.

2. Das Gewicht
Wenn ich weiß, dass ich eine zufällige Ansammlung von Münzen in der Dose habe und deren jeweiliges Gewicht kenne, kann ich das Gewicht der Dose bestimmen und anhand der statistischen Verteilung der Münzen deren Anteil am Gesamtgewicht bestimmen – und darüber die Gesamtsumme errechnen.

Die harten Fakten
Die Dose ist 29 cm hoch und misst 9 cm im Durchmesser. Voll befüllt wiegt sie etwa 7 Kilogramm.

1.Methode:
In einer Scheibe von 1 cm Dicke befanden sich 10 x 1ct, 16 x 2ct, 13 x 5ct, 16 x 10ct und 15 x 20ct, sodass ich auf eine Summe von 5,76 Euro pro cm, also 164,43 Euro insgesamt komme.

2.Methode:
Um die Menge der jeweiligen Münzen zu bestimmen, musste ich mehrere Annahmen machen.
Zum Einen bin ich davon ausgegangen, dass ich grundsätzlich die kleinstmögliche Anzahl an Münzen zurückbekomme. Dementsprechend wäre z.B. ein Rückgeld von 23ct aufgeteilt in 1 x 20ct, 1 x 2ct und 1 x 1ct.
Des Weiteren bin ich davon ausgegangen, dass jede Summe an Rückgeld zwischen 1ct und 99ct gleich wahrscheinlich ist, ich also – bis auf die fehlenden 50er – eine perfekte Zufallsverteilung in der Dose habe.
Dann musste ich noch bestimmen, wie viele Münzen welcher Sorte ich mit dem Rückgeld bekomme.
Mit den Annahmen von oben und ein wenig Kombinatorik war das schnell zusammengerechnet: 1ct-Münzen haben demnach einen Anteil von 13,88%, 2ct sind mit 27,78% doppelt wahrscheinlich, 5ct haben eine 17,36%ige Wahrscheinlichkeit, und 10ct und 20ct jeweils eine Wahrscheinlichkeit von 20,49% (zu 100% fehlende sind Rundungsfehler).
Die 7 Kg lassen sich somit aufsplitten zu: 1ct: 971g, 2ct: 1943,2g, 5ct: 1215g, 10ct: 1610g und 20ct ebenfalls 1610g.
Da Wikipedia weiß, wie schwer die Münzen sind, ist der Rest schnell zusammengerechnet:

Methode 2 sagt mir 127,72 Euro voraus.

Ohne es mathematisch zu bestimmen, gehe ich von einem Fehler von 10% aus, d.h. jede Summe plusminus 10%. Selbst wenn ich die Fehlerwahrscheinlichkeiten günstig zusammenrechne, stimmen die beiden Summen nicht überein; der mögliche Fehler ist also größer als 10%.

Genug des Vorgeplänkels, es ging also an

Das genaue Nachzählen
Ich habe also sortiert, gestapelt, gezählt und zusammengerechnet, und – ta da! – es befinden sich genau

106,47€

in der Dose.
Das ist mehr als die Vorhersage mit Fehler weniger, aber immer noch überraschend genau dran und bringt mich zu folgenden möglichen Schlussfolgerungen:

  • Wikepedia lügt
  • Ich kann nicht rechnen
  • Ich habe glücklicherweise keine Kupferallergie
  • Die Fehlertoleranzen liegen höher
  • Die Annahmen stimmen nicht

Weil ich die Summe genau bestimmt habe, ergeben sich zwei neue Probleme:

  • Die schöne Zufallsverteilung ist futsch. Weil ich das Geld stapelweise wieder in die Dose getan habe, ist zumindest Methode 1 damit hinfällig.
  • Durch die Bestimmung habe ich der Summe eine Größe gegeben.
    Als sie noch unbestimmt war, hätte sie – zumindest quantenmechanisch gesehen –  alles Mögliche sein können, also auch z.B. eine Million.
    Durch das Bestimmen der Summe habe ich mich also von einem potentiellen Millionär zu einem 106,47-Euronär gemacht.

Zum Glück gibt es zumindest für dieses Dilemma eine leichte Lösung: ich werde bald wieder Kleingeld in die Dose werfen, sodass die Summe wieder unbestimmt ist…

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20 Antworten auf „Gespartes Geld: gewogen, geschätzt, gemessen, gerechnet, genau gezählt

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  1. Statt Kleingeld würde ich Scheine in die Dose tun, dann ist das Berechnen noch viel schwerer, a b e r das Nachzählen um so besser. Denn am Ende ist man ziehmlich überrascht, wieviel tatsächlich drin ist.
    Auf das die Dose niemals leer ist, und du sie nur zu eigenen Vergnügen leeren mußt….
    Ma

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    1. Ja, das wäre schön. Mal sehen. Und bei Scheinen würde ich mir eine neue Messmethode ausdenken; vielleicht die Frequenz und die Lautstärke des Geraschels…

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  2. so lange sich deine kleingelddose nicht in die zweite von newcombs boxen verwandelt, wird die katze nicht lebendig sein bzw. du kein millionär sein. und auch dann ist es so gut wie unmöglich. 😉
    viel spaß beim rätseln, nadine

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    1. Nun, da erweisen sich die 7 Kg als sehr praktisch: in Newcombs Richtung geworfen, wird der ganz schnell aufhören, sich Paradoxa auszudenken 🙂

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      1. upps – gewalt! sollte man nicht vorschnell ausschließen, da hast du recht! 🙂

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      2. Gewalt – also bitte, das ist mir zu martialisch…
        Nennen wir es doch lieber … physische Entscheidungshilfe 🙂

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      3. das wiederum nennt man einen euphemismus – wenn man schon für gewalt als eine mögliche lösung in situationen eintritt, die einem (scheinbar) keinen andere wahl lassen, dann sollte man es doch auch so nennen!

        hab ein schönes wochenende!

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  3. Sehr schöne Schlussfolgerungen!! 😀
    Und meine Schlussfolgerungen auf deine Schlussfolgerungen sind, dass du erst die Schuld bei anderen suchst, dann bei dir selbst, dann versuchst etwas positive aus der Situation zu ziehen und schließlich sachlich wirst bzw das offensichtliche akzeptierst..

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    1. Du lässt aber ausser Acht, dass mir schon vorher klar war, dass die Annahmen fehlerhaft und die Fehlertoleranzen höher sind und ich mich eher des Stilmittels der Ironie bedient habe, denn ich bin ein großer Verfechter Wikipedias.

      Und ausserdem wäre mein Leben sehr viel leichter, wenn ich mal nicht den Fehler zuerst bei mir suchen würde…

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  4. Geile Sache, sollte ich mein Kleingeld in der Whisky-Dose vielleicht auch mal wissenschaftlich untersuchen?

    Viel interessanter ist allerdings welche neue Kletterausrüstung mit der Erspartem gekauft werden kann 🙂 Ein Grigri vielleicht?

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    1. Oh, das fände ich spannend, dann können wir nämlich vergleichen! In dieser Woche habe ich auch gelernt, wie man eine wissenschaftlich korrekte Fehlerabschätzung macht; mein Handwerkszeug ist also ein bisschen verfeinert.
      Was ich mit dem Geld anstelle, weiß ich noch nicht – vor allem, weil die Banken sich mit dem Eintauschen auch ein bisschen anstellen.
      Kletterequipment ist grundsätzlich ne gute Idee – auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass ich nicht so sehr auf automatische Geräte beim Sichern stehe – mein Favorit ist das ATC in Kombination mit dem Gridlock von Black Diamond – damit macht das Sichern richtig Spaß!
      Wobei ich auch das Clickup richtig gut finde – der Klick gibt Einem viel Sicherheit!

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  5. Ich denke auch, dass du dich verrechnet hast.
    Du schreibst: „“Die 7 Kg lassen sich somit aufsplitten zu: 1ct: 971g, 2ct: 1943,2g, 5ct: 1215g, 10ct: 1610g und 20ct ebenfalls 1610g.““
    –> hier ist der Fehler: Die Kontrollsumme der Einzelwerte ergibt doch gar nicht wieder die 7kg!!!

    Wenn ich das durchrechne komme ich auf 117,40 Euro. Das passt schon besser zu der Abzählung und wäre dann auch wieder innerhalb deiner vermuteten Fehlerquote von 10% :-))

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  6. Also ich würde es über das Gewicht versuchen. Ich habe gehört, das es allein für den Wert von 1 Euro ca. 4500 Kombinationen der Münzzusammensetzung gibt, aber keine davon das gleiche wiegt wie die andere. Deshalb müsste man doch umgekehrt auch einen Algorithmus entwickeln können, der einem sagt wie die Münzzusammensetzung bei einem Gewicht von X,XXX Kg aussieht und daraus wiederum den Wert errechnen kann. Also Mathegenies, jetzt mal los diskutieren.
    Annahme, das Geld ist nicht defekt (Rost oder ähnliches) oder stark verunreinigt.
    Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das was er schon ist.

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