Das EN-Cafe

Das Cafe im EN-Gebäude ist nicht wirklich besonders einladend.

Von der Straße des 17.Juni aus gesehen, liegt es im allerletzten Zipfel des Gebäudes, dort, wo das Salzufer auf die Marchstraße trifft.
Das EN-Cafe ist im selben technokratischen Baustil gehalten wie der Rest des Gebäudes auch, nackter Beton, viel Stahl, viel Glas. Grau in Grau in Schmutziggrau.
Technisches Highlight des Gebäudes sind die außen angebrachten Sonnenblenden, deren Lamellen nach Art der Jalousie das Sonnenlicht ausblenden oder in den dahinterliegenden Raum leiten können. Besonders sind sie deswegen, weil sie einzig durch die Lichtintensität gesteuert werden; man kann und soll sie nicht von Hand steuern.
Leider scheinen die Jalousien nur nicht genau zu wissen, was sie mit den Informationen machen sollen, und so bewegen sie sich nach einem willkürlichen Muster auf und ab, stets begleitet von einem auch die letzte vernünftig denkende Zelle des Hirns in den Wahnsinn treibenden Quietschen und Krachen.
Ich vermute, mit etwas so Profanem wie Öl – an die richtigen Stellen geschmiert – möchte man die Hightech-Jalousien nicht beschmutzen, und so wird fröhlich weitergequietscht.

Schmutzig ist auch der Boden des EN-Cafes, unter dem ich hässliches, blau-graues Linoleum vermute. Wobei schmutzig das falsche Wort ist, denn gesäubert wird in dem Cafe. Der Boden ist eher schmuddelig, jenseits allem, was eine einfache Reinigung überwinden könnte.

Das Essen ist vorbildlich rustikal. Jeden Tag gibt es eine Suppe bzw. etwas Eintopfähnliches und eine feste Mahlzeit, die dann z.B. aus Putengeschnetzeltem mit Reis und Dosenerbsenundmöhren besteht – und egal, um welche sich nach dem Speiseplan wohlschmeckend lesende Speise es sich handelt, wird es stets ein wenig kreischend als „Das Essen“ durch den Raum gerufen, wenn man der Kassiererin gesagt hat, man hätte gerne das Cordon Bleu oder auch die Schupfnudeln. Alles klar, „Einmal das Essen“ schallt es durch die stets ein wenig abgestanden riechende Luft, die einfach müde zu sein scheint, die einzelnen Gerüche differenzierbar tragen zu wollen.

Wer so mutig ist, am Freitag das Chili zu bestellen, kann daraus übrigens alle Tagessuppen rekonstruieren. Kommilitone S und ich haben es im dritten Semester erfolgreich ausprobiert.

Kulinarisch absolut ungeschlagen ist allerdings das „Kentucky“ – ein großes Ciabatabrötchen, mit Soße, Salatblättern, Sauren Gurken und allerlei anderem Kleinkram belegt, dessen Herz eine undefinierte Masse in Form gepressten Fleisches ist, welches optimistisch als „Rib Steak“ betitelt wird.

Wer ein Kentucky bestellt, hat den größten Return on Investment in der Stadt. Oder sagen wir so: ich habe im ersten Semester einmal eins gegessen, und es kam mir noch tagelang wieder hoch, wenn ich aufstoßen musste, dabei schmeckt es wirklich wunderbar, während man es isst.
Nur sollte man das nicht in geschlossenen Räumen tun.

Selbstverständlich kann man nicht mit der Mensa-Card zahlen. Nur Bares ist Wahres, das wusste schon mein ehemaliger Chef im Bremer Holzhafen.

Die Clientel des Cafes ist ebenfalls wunderbar rustikal: die akademisch Tätigen der Universität befinden sich in deutlicher Unterzahl; während ich letztens dort frühstückte, war das Cafe fest in der Hand der zahlreichen in der Nähe arbeitenden Bauarbeiter und Handwerker.
Pünktlich kurz vor Feierabend kommen Mitarbeiter des Ordnungsamtes vorbei und besetzen mindestens zwei Tische mit ihrer uniformierten Präsenz.

Man findet hier keine MacBooks, weil es überhaupt nicht gerne gesehen ist, wenn man etwas, das auch nur entfernt ans Studieren erinnert, auf den Tisch packen darf. Die aufgebrezelten Wirtschafts- und ArchitekturstudentInnen kommen hier nicht her.

Die Kassiererin ist die Erste und Einzige, mit der ich bisher ein bisschen Smalltalk halten konnte, und sie grüßt mich auch fünf Minuten vor Feierabend noch genau so freundlich, wie sie es frühmorgens oder mitten in der Schicht tut.

Und deswegen bin ich so gerne im EN-Cafe: es ist so herrlich unprätentiös, so ungeschminkt ehrlich und so hässlich-schön, wie das Leben selbst.

4 Antworten auf „Das EN-Cafe

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  1. Holzhafen? Davon hast Du noch nichts erzählt, oder?
    (Ich schreibe es auf die Liste von den Berufen, die Du alle schon hattest und bewundere still.)

    Sagen sie wirklich immer „Einmal das Essen.“?
    Vielleicht steckt da ja ein komplizierter Wortcode dahinter, also wenn sie sagen „Einmal das Essen.“ heißt es „Pampe 1“ und wenn sie sagen „Das Essen, einmal.“ ist es bedeutend für „Pampe 2“.

    Und die Kassiererin ist Heldin der Woche. 🙂

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    1. Ja, nachdem ich meine Kollegen mit einem häufigen „Und einmal, als ich da und da gearbeitet habe.“ („…und einmal, im Bandcamp…“), halte ich mich damit ein bisschen zurück.
      Im Holzhafen habe ich – Achtung – Holz verkauft. Entspannter Job, guter Chef, von dem ich ne Menge gelernt habe.

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