Mein Fahrrad hat jetzt USB

Wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt, ein Fahrrad tauglich für lange Reisen zu machen, kommt man unweigerlich irgendwann auf das Thema „Elektrizität“ – sei es, um die eigene Beleuchtung zu versorgen oder eben, um die doch immer zahlreicher werdenden Geräte zu laden, die man so mitnimmt: GPS, Mobiltelefon, Kamera, mp3-Player, usw.

Eine kaputte Nabe bringt alles ins Rollen

Während die meisten Fahrräder heutzutage standardmäßig mit einem Nabendynamo ausgestattet sind, war es bei mir erst die langsam in die Jahre gekommene Vorderradnabe, welche den Gedankengang ins Rollen brachte: man könnte doch einen Nabendynamo nehmen, und wenn man schon dabei ist, auch gleich ein Ladegerät…

Dieses Komplettpaket sollte mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst sein, und so bestellte ich zunächst ein komplettes Vorderrad bei Rotor in Leipzig, samt knallrotem Shutter Precision – der macht nicht nur optisch was her, sondern auch im Testbericht eine überaus gute Figur – und ist im Vergleich zum SON deutlich bezahlbarer.

Übrigens spüre ich kaum etwas vom Dynamo; für mich macht sich mehr (oder eben weniger) Druck in den Reifen deutlich bemerkbarer.

Von Spannung zu Ladung

Nach dem Dynamo war dann das Ladegerät an der Reihe; die grundlegende Idee ist, jedes elektrisch betriebene Gerät, das ich mitnehme, auch selber laden zu können und somit weitgehend unabhängig von Steckdosen zu sein. Ein Hinweis von Philipp brachte mich sehr schnell auf den Forumslader, einem Selbstbauprojekt eines radfahrbegeisterten Ingenieurs – mit einem riesigen Vorteil: eine Variante des Laders ist komplett im Gabelschaft versenkbar und somit bis auf die Anschlüsse nach draußen unsichtbar. Zudem hat er von allen erhältlichen Ladegeräten den größten Wirkungsgrad – über 90% – und das gefällt mir schon sehr.

LEGO für Erwachsene

Nach kurzem Mailaustausch mit dem Erfinder wartete ich noch einen Monat auf die nun aktuelle 5. Version und hatte Ende Januar ein kleines Paket in der Hand: den Bausatz für den Forumslader – quasi LEGO für Erwachsene 🙂

Forumslader-Bausatz. Der Lader steckt unten in der antistatischen Hülle
Forumslader-Bausatz. Der Lader steckt unten in der antistatischen Hülle

Neben den verschiedenen Kabeln, Schrumpfschläuchen, den drei Pufferakkus und ein bisschen Kleinscheiß, wirkt die Platine schon winzig – aber das muss sie auch sein, wie sich zeigen sollte.

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Die Platine liegt gut in der Hand.

Und dann gings ans Basteln, nur teilweise nach Anleitung, denn die ist für eine andere Variante. Das war aber nicht weiter schlimm, das Wesentliche konnte ich ihr entnehmen.
Zunächst das Verbinden des Transistors mit dem Temperatursensor und Auflöten der beiden Teile, sowie des Schaltreglers.

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Dass ich den Schaltregler etwas schief aufgelötet habe, stört die perfekte Ästhetik der Platine schon ein wenig…

Nun die zahlreichen Kabel und Anschlüsse: Die Verbindungen zu Plus- und Minuspol der Akkupacks, die Litzen für die Spannungsüberwachung der einzelnen Zellen, die Verbindung zum Dynamo, die Kabel für USB und die Status-LED.

Das Kabel für den Taster wollte ich zunächst auch herausführen – das wurde aber zu eng. Brauchen tu ich ihn nicht, der Lader springt ja bei einem Dynamoimpuls schon an.

Viele Kabel und Anschlüsse...
Viele Kabel und Anschlüsse…
...mit Beschriftung, damit ich später noch weiß, was wofür ist.
…mit Beschriftung, damit ich später noch weiß, was wofür ist.

Nachdem ich alle Kabel verlötet und den Lader getestet hatte, musste die Platine fahrradtauglich gemacht werden. Ich habe sie mit PU-Lack übersprüht, sodass sie wasserfest ist, alle größeren Teile mit Heißkleber fixiert, um unempfindlicher gegen Vibrationen zu sein, sowie die Kabel zusammengefasst.

Ein Wust an Kabeln
Ein Wust an Kabeln

Während der Lack trocknete, machte ich mich am Lenker zu schaffen; irgendwo sollte ja schließlich das USB-Kabel herauskommen. Eigentlich wollte ich ein Loch in den Vorbau machen, aber ein Mitarbeiter der Uni-Fahrradwerkstatt hatte eine super Idee: zwischen der Abdeckplatte des Vorbaus und dem Lenker gibt es einen kleinen Spalt, den ich nutzen kann – so spare ich mir das Loch im Vorbau. Eine sehr elegante Lösung!
Ein kleines Loch musste ich trotzdem machen, um aus der Gabel in den Vorbau zu kommen. Zum Glück konnte die Kralle bleiben, wo sie ist; der Gabelschaft ist auch mit Kralle lang genug, um Lader + Akkus aufzunehmen; das Kabel geht genau unter der Kralle in den Vorbau.

Man sieht am Vorbau das USB-Kabel, welches an der Unterseite der Gabel wieder herauskommt.
Man sieht am Vorbau das USB-Kabel, welches an der Unterseite der Gabel wieder herauskommt.

Das USB-Kabel habe ich am Stecker aufgetrennt und die LED eingelötet, sodass ich direkt am Stecker immer den aktuellen Status erkennen kann.

Gesundschrumpfen

Laut Anleitung sollte das ganze Gerät mit Akkus in Schrumpfschlauch eingeschrumpft werden. Allerdings war es mit Kabelgedöns zu dick, um noch in den Gabelschaft zu passen. Also Schrumpfschlauch wieder entfernt und Klebeband genommen – und jetzt passte es!

Es wird ernst - und eng
Es wird ernst – und eng

Noch ein bisschen gefühlvolle Gewalt…

...und das Ding ist drin!
…und das Ding ist drin!

Der Rest ging schnell: Kabelgedöns in die Gabel stopfen, diese von unten zupfropfen, Dynamo anschließen, Lenker wieder anschrauben, Rad drehen – und siehe da: es blinkt!

Leider habe ich mir beim Testen die Ladeschaltungen sowohl meines Telefons, des mp3-Players und der Lampe zerschossen, da ich das USB-Kabel verpolt hatte – und damit ironischerweise 90% der Geräte, die ich mit dem Lader laden wollte, genau dafür unbrauchbar gemacht. Da testet man ein Mal eine Sache nicht doppelt und dreifach…
Aber gut, das Telefon kann ich auch so laden, den mp3-Player wollte ich eh ersetzen, und das mit der Lampe beschleunigt meine Entscheidung für ein fest montiertes Vorderlicht¹.

Im Laufe der nächsten Tage und Wochen werde ich den Lader einem intensiven Praxistest unterziehen und mal schauen, was ich laden muss, um die Pufferakkus leer zu bekommen – und wie lange ich fahren muss, bis sie wieder voll sind.

 

Habemus Stromfluss

Nach den ersten Fehlversuchen traute ich mich nicht so wirklich, etwas anzuschließen², aber der finale Test musste schon sein. Ich habe also zunächst am USB im Computer gemessen, wo was anliegen soll, bin dann zum Fahrrad, habe gemessen. Dann ein alter USB-Stick mit Status-LED: blinkt. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Meinen uralten mp3-Player – der witzigerweise einen besseren Sound hat als der jetzt zerschossene – angeschlossen, kurz Puls auf 180 – und siehe da: es funktioniert!

Et looft!
Et looft!

Oben rechts in der Ecke des Displays erkennt man das Lade-Icon (einmal abgesehen davon, dass er mp3-Player ansprang, als ich ihn anschloss) und rechts am Vorbau erkennt man die blinkende Status-LED.

Eines ist schon jetzt klar: das Gerät als solches begeistert mich; vielen Dank an Jens und Sven fürs Ausdenken, Basteln, Verbessern des Laders!

¹update: Die Lampe lädt noch; sie kann es nur nicht so zeigen
²einmal davon abgesehen, dass ich kaum noch heile USB-Geräte habe

6 Antworten auf „Mein Fahrrad hat jetzt USB

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