„Wenn mir vor ein paar Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mal in der Wuhlheide spielen werde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Allein die Columbiahalle war Wahnsinn. Ich kann gar nicht fassen, dass ich hier bin!“
Sascha Ring ist sichtlich begeistert, und er darf es auch sein. Es wird gerade richtig dunkel, es ist kühl, aber trocken, die Batterie an Blindern beleuchtet die Menge in der ausverkauften Wuhlheide, die vom ersten Ton an begeistert mitging.
Für einen kurzen, sehr zynischen Moment denke ich: „Ich kanns auch nicht fassen.“, denn vorausgegangen waren anderthalb Stunden vor dem Einlass, an dem gar nichts mehr ging. Die Secus hatten ihre Probleme, die paranoiden Sicherheitsvorkehrungen umzusetzen (ich wurde nicht mal auf einem arabischen Flughafen so intensiv abgetastet) und ein Konzept zur gezielten Steuerung der Massen und Entlastung über Nebeneingänge war nicht zu erkennen gewesen. Mit Glück habe war ich zur Hälfte des ersten Songs da – Vorband verpasst, aber immerhin bin ich jetzt endlich drin.
Die Wuhlheide selber ist aufgebaut wie ein Amphitheater, sodass man aus den Rängen einen fantastischen (Über)blick über die Bühne hat – und keinen Hinterkopf, der im Weg ist.
Um es vorweg zu nehmen: die Wartezeit hat sich mehr als gelohnt. Der Sound war erwartungsgemäß hervorragend – klar, differenziert, druckvoll, und trotz der Lautstärke angenehm. Wenn „Milk“ nicht nur zu hören ist, sondern im Brustkorb angenehm drückt, dann hat der Tontechniker alles richtig gemacht.
Und nun zum Licht.
Die Bühne ist dunkel, sehr dunkel. Die drei Musiker – ohnehin in Schwarz gekleidet – sind nur als Schemen zu erkennen. Nur sehr sporadisch werden Spots auf sie gerichtet – ansonsten werden sie von hinten durch die Visuals auf der sehr hellen und scharfen Videowand beleuchtet. Die Visuals selber stammen aus der pfadfinderei, und genau wie die Musik so wirkt, als sei jeder Ton, jeder Sound, jeder Effekt sorgfältigst gestaltet, sehen die Visuals auch aus: die zum Teil konkreten Texturen, zum Teil abstrakten geometrischen Formen passen perfekt zur Musik und werden nicht einfach nur abgespielt, sondern sind Teil des Gesamtkonzepts. Einige Videos sind dermaßen plastisch gestaltet, dass sie förmlich auf der Bühne zu schweben scheinen.

In Zusammenspiel mit dem Lichtdesign ergibt sich so eine audiovisuelle Show, die erst auf einer Bühne wie der Wuhlheide so richtig zur Geltung kommt. Es wird fast nur mit Schwarz/Weiß gearbeitet; ab und zu kommt noch eine Farbe (Gelb, Rot, Blau) ins Spiel – und das war es dann auch schon. Ähnlich wie die Musik werden auch die Lichtstimmungen Stück für Stück aufgebaut, wechseln sich Knalleffekte (z.B. die Stroboskope) und sphärische, ruhige Stellen ab, was für einen sehr organischen Gesamteindruck sorgt.
Mehr als beeindruckend ist allerdings die Tiefenstaffelung der Scheinwerfer. Hier sieht man, wie sehr die Lichttechniker die gesamte Bühne samt der Seitenausleger als Spielfläche betrachten und in die Show einbeziehen. Es ist schwer, wiederzugeben, aber ein Beispiel: Auf der Leinwand wird ein Gitter aus roten Linien gezeigt, die sich überkreuzen. Die Moving Heads sind so positioniert, dass sich ihre Strahlen ebenfalls in Gittern kreuzen – und die Farbe/Farbtemperatur stimmt so exakt mit der auf der Leinwand überein, dass der Zuschauer nicht mehr unterscheiden kann, was noch auf der Leinwand ist und was auf der Bühne – der Raumgrenzen lösen sich auf, man vergisst, dass hier eine Band auf einer Bühne spielt. Das sieht man in dieser Stringenz vielleicht noch bei Massive Attack oder Radiohead.
Jeder Effekt, jede Farbe, jede Bewegung der Scheinwerfer scheint aufs Genaueste auf seine Wirkung hin für den jeweiligen Song designt zu sein; man hätte mit den Scheinwerfern noch eine ganze Menge mehr anstellen können, das wäre dann aber zum reinen Selbstzweck verkommen.
Das Konzert war eine der seltenen Shows, bei denen – zumindest für das Publikum – aber auch alles stimmte. Ich habe hier keine Fotos gepostet, weil sie den Eindruck nur verfälschen würden; das Konzert wurde allerdings gefilmt. Es ist anzunehmen/zu hoffen, dass es demnächst eine Live-DVD geben wird. Wer sich eine sehr gute Show ansehen möchte, sollte sich die dann zulegen – ich war selten von einem Konzert so beeindruckt, wie von diesem.
Kommentar? Gerne!