Kleine Nordschleife

In diesem Jahr lagen Himmelfahrt und Familienfeiereien so günstig beisammen, dass ich beschlossen habe, beides zu kombinieren und aus der locker an einem Tag schaffbaren Strecke Hamburg – Heimat eine kleine Nordschleife zu machen und ein bisschen an der Nordseeküste entlang zu fahren – aus Hamburg kommend die Elbe runter, Cuxhaven auslassend Richtung Bremerhaven und dann entlang der Küste Richtung Jadebusen, und von dort Richtung Familie – so in etwa.

Auf der falschen Fähre ins Alte Land

Nanu, denke ich, als wir aus Blankenese zielsicher an Cranz vorbei nach Finkenwerder fahren, habe ich die falsche Fähre erwischt? – und tatsächlich war es so, dass ich am Anleger einem Irrtum aufgesessen bin – meine eigentliche Fähre wäre erst später gekommen. War aber nicht weiter schlimm; so lange ich auf der linken Elbeseite war, war alles gut. So bin ich immerhin am Airbus-Werk vorbei gekommen, das wollte ich mir auch schon immer mal anschauen.

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Sonnenbad

Im Alten Land dämmerte es langsam, aber es war sehr entspannt, am Deich entlang zu fahren. Der Himmel in Hamburg ist ja immer n büschen kitschig, was natürlich zur Stimmung beigetragen hat.

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Im Borsteler Hafen

Sehr spät abends kam ich dann am Campingplatz an und habe den leisesten Zeltaufbau aller Zeiten veranstaltet, um die Nachbarn nicht zu stören.

Gegen den Wind und durch den Regen

Während des Frühstücks am nächsten Morgen wirkte mein Tee plötzlich ein wenig nasser als normal, und Tatsache, es begann zu nieseln. Nicht nur ein paar Tropfen, wie ich kurz gehofft hatte, also habe ich den Tee stehen lassen und schnell das (noch trockene) Zelt abgebaut. Das ging zum Glück ratz-fatz; der Regen aber blieb. Also Regentüch anplünnen und los. Das Timing passte ziemlich gut, denn ich musste bei Wischhafen noch kurz auf eine Brückenöffnung warten. Am Deich entlang Richtung Freiburg gab es einige Schafgatter zu durchqueren, und dabei traf ich auf einen Radfahrer, der bereits seit mehreren Wochen unterwegs war und die Elbe von der Quelle bis zur Mündung abgefahren ist. Coole Sache!
In Freiburg selber trennten sich unsere Wege; er wollte direkt weiter und ich mir die hübsche kleine Stadt anschauen – Freiburg ist einen Besuch wert. Kleine Straßen und Gassen, kleine bunte Häuser – hat was.

Dass ich noch einen kleinen Moment länger als geplant in Freiburg blieb, lag an meinem Hinterrad: ich hatte mir ein kapitales Steinchen in den Mantel gefahren und einen Plattfuß bekommen. Anscheinend sind die aktuellen Schwalbe Mondial nicht mehr so pannensicher, wie sie einmal waren; in Berlin hatte ich über mehrere Jahre hinweg keinen einzigen Platten, in Hamburg schon öfter mal, und immer Steine, bei Scherben sind die Reifen nach wie vor super. Dass ich den Reifen im Sommer ein bisschen über Nenndruck aufpumpe, macht es ihm sicherlich nicht leichter, aber das war bisher nie ein Problem.

Weiter gings, das Wetter blieb wechselhaft mit leichten Tendenzen Richtung trocken, ich mit deutlichen Tendenzen Richtung Genervtsein vom Wind. Auch wenn ich da deutlich entspannter bin als noch vor ein paar Jahren, mögen tue ich Gegenwind noch immer nicht. Voll gut also, wenn man einen Törn in Richtung Westen plant und der Wind aus Westen kommt… Mich stört dabei weniger die Anstrengung, als dass man einfach nicht so gut in einen Flow kommt, wie bei Rückenwind oder meinetwegen Windstille.

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Ein zugewachsenes Haus auf dem Weg.

Wie an diesem für Radfahrende heiligen Feiertag üblich, begegnete ich natürlich auch einigen mehr oder weniger feucht-fröhlichen Gruppen, aber es war – vermutlich auch durch das Wetter bedingt – bei weitem nicht so viel los wie in den vergangenen Jahren. Vielleicht habe ich aber auch meine Route zumindest in diesem Aspekt gut gewählt…

Weitwinkel schwimmen nicht

Ich habe Bremerhaven in Rekordzeit durchquert – es ist an einer Stelle sehr schmal – aber nicht, ohne Poseidon meinen Tribut zu zollen: An einem Tidesperrwerk der Geeste lagen ein paar tote Fische auf einer Verstrebung. Ein leicht skurriles Bild, das ich gerne von der Brücke aus festhalten wollte. Also habe ich die Kamera aus der Lenkertasche gezogen, und als sich etwas kleines, schwarzes zwischen meinen Füßen bewegte, dachte ich für einen Bruchteil einer Sekunde: „Maus“ oder so, und dann erkannte ich, was dort auf die Kante zurollte: das Kit-Objektiv der Kamera, also das Standard-Zoom, mit dem die Kamera geliefert wurde. Ich hatte es zum schnelleren Objektivwechsel in die Lenkertasche getan, und dort hatte es sich im Kameragurt verfangen. Unmöglich, das Objektiv zu bremsen oder mit dem Fuß zu blockieren, und so war es blitzschnell von der Straße direkt in die Fluten gestürzt – und ward nie wieder gesehen. Unmöglich, es herauszufischen. Hoffen wir, dass Poseidon mit Sony fotografiert…

Das Bild ist noch nicht mal gut geworden.

Emotional hing ich nicht so sehr an dem Objektiv, aber es war mit 18mm deutlich das weitwinkligste Objektiv, das ich hatte – und wie ich dann schnell festgestellt habe, ist Landschaftsfotografie ohne Weitwinkel zwar möglich, aber bei Weitem nicht ideal.

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Dramatischer Horizont bei Nordenham – ohne Weitwinkel.
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Keine Reise an die Küste ohne Foto von einem Schaf.

Feddernwardersiel

Nach 118 Kilometern gegen den Wind hatte ich irgendwann genug und war froh, in Feddernwardersiel angekommen zu sein. Einmal noch übern Deich, und schon empfing mich das glitzernde Meer – ach Moment, da hängen Satellitenschüsseln, das ist wohl nicht die Nordsee, sondern ein Meer von Campingwagen. Der Campingplatz in Feddernwardersiel ist recht groß, und vom Deich aus betrachtet, sieht man tatsächlich in der Hauptsache die Dächer der Campingwagen. Ich durfte auf einem kleinen Stückchen Wiese übernachten, das sich ein bisschen anfühlte, wie eine Parklücke – aber zum Zelten vollkommen okay war. Der Platzwart hatte in der anliegenden Kneipe alle Hände voll zu tun, denn Feddernwardersiel scheint ein Zentrum der Himmelfahrtsfeiereienbesäufnisse zu sein. Ich habe mich nach meinem Alster an den schönen Hafen verzogen und ein paar Fotos gemacht – auf einem Trawler wurde geschliffen, gesandstrahlt oder was in der Art, was recht laut war, aber eben auch eine Fotogelegenheit.

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Der Ausblick vom Campingplatz aufs Meer.
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Hier wird noch gearbeitet.

Seefelder Mühle

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Seefelder Mühle und Hof

Die Entscheidung gegen den Jadebusen war eine Entscheidung für die Seefelder Mühle, die damit auf dem Weg lag. Somit konnte ich Kuchen und Kultur verbinden und habe das eine gegessen (Kuchen), das andere besichtigt und fotografiert (Mühle). Hat sich beides gelohnt. Das Personal dort ist sehr nett und freundlich, und wenn man einen großen Milchkaffee bestellt, bekommt man ein swimmingpool-großes Gefäß gereicht. Ich musste ja noch fahren, deswegen war mir ein kleiner Becher genug. In der Mühle hatte ich einen wunderbaren Moment der Ruhe, denn ich war dort ganz allein (alle anderen saßen noch beim Kuchen…). Die Ruhe, die Hitze, der Geruch nach Holz, Staub, Getreide, Geschichte – ein schönes Erlebnis.

Überhaupt begann in der Wesermarsch ein bemerkenswerter Teil der Reise: war zuvor an den Deichen noch gut (Rad)Verkehr gewesen, so bin ich zwischen der Mühle und der Fähre fast keinem Menschen begegnet. Das in Kombination mit dem flachen Land und dem Wind (der ja nun meist seitlich von hinten kam) ließen das Radeln zwischendurch beinah meditativ werden – der Flow, der mir gestern noch gefehlt hatte. Ein schöner Abschluss der kleinen Nordschleife.

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