Liebe Musikindustrie,

dass du mit beeindruckender Ignoranz daran arbeitest, dich selber abzuschaffen, ist ja nichts neues. Du beklagst dich über – angeblich! – sinkende Umsätze und verteufelst all diejenigen, die Musik lieben und ein wenig über den eigenen Tellerrand herausschauen.
Gleichzeitig sorgst du mit großem materiellen Aufwand dafür, dass der Tellerrand, den du Musikhörenden zugestehst, so eng und öde wie möglich ist.
Warum nur fällt es mir so schwer, die ganzen Retorten-Castingpuppen mit ihren immergleichen belanglosen Pop-Söngchen auseinanderzuhalten?

Findest du es nicht erstaunlich, dass eine Unmenge von spannenden, sich emanzipierenden Künstlern – die ich problemlos auseinanderhalten kann, denn sie haben alle ihren eigenen Stil – dir den Rücken kehren und sich lieber selbst vermarkten, anstatt auf deine Erfahrung und deine Marketingpower zu setzen?

Es gibt noch sehr viel mehr. Die hab ich auf die Schnelle gefunden.

Und findest es es nicht auch höchst bemerkenswert, dass eine Künstlerin den Grammy für das bestproduzierte Popalbum bekommt, die sich auf ihrem eigenen Label verlegt? Die dazu noch so leidenschaftlich für ihre Kunst einsteht, dass sie lieber eine Hypothek auf ihre Wohnung aufnimmt, um sich die Aufnahmen leisten zu können, als das sie dir vertraut?

Liebe Musikindustrie, sehen wir es doch mal so: Du bist ein Dinosaurier, und es ist kein Vulkanausbruch, der dich zum Aussterben bringt, sondern einfach der Wandel der Zeit und dein Altersstursinn. Ich meine, ich tue mein Bestes, dir zu helfen.
Ich kaufe Alben. In echt, auf physikalischen Tonträgern. Manchmal CD, mittlerweile öfter auf Vinyl. Ich würde mir gerne mehr kaufen, aber weißt du, für eine Stunde Musikhören muss ich zwei Stunden arbeiten.
Gerne höre ich Musik, die ich noch nicht kenne. Youtube ist da ganz gut, aber hast du schon mal eine Schallplatte gehört, und danach ein Video bei Youtube angeschaut?
Vielleicht ist es eine Berufskrankheit, doch ich höre einen deutlichen Unterschied. Vielleicht auch, weil ich eben nicht über minikleine Computerboxen höre, sondern über eine ordentliche Anlage, die tatsächlich die Bezeichnung „HiFi“ verdient.

Youtube und myspace, last.fm etc. dienen mir eher selten zum Genuss von Musik – das geht bei der Qualität auch kaum –  aber ich nutze sie gerne, um neue Musik kennenzulernen.
Was ich sagen will: Youtube und mp3 sind für mich keine Konkurrenz zu den klassischen Produkten; sie sind etwas anderes.
Mir dienen sie vor allem, neue Musik kennenzulernen. Um dann zu entscheiden, ob ich ein Album kaufe oder nicht. Ich gehe auch gerne auf Konzerte, aber du hast nichts davon, wenn ich dort die Musik direkt vom Künstler kaufe. Der Künstler und ich haben schon was davon: die Musik ist nicht ganz so teuer, weil ein uralter, schwerer Klotz in der Wertschöpfungskette fehlt: Du.

Komm, liebe Musikindustrie, ich schiebe dich ans Fenster. Dein Rollstuhl quietscht ein bisschen. Ich decke dich zu mit deiner Wolldecke, und dann kannst du aus dem Fenster schauen und an die guten alten Tage zurückdenken.

Und ich?

Ich hoffe, dass es auch ohne Musikindustrie weiterhin Schallplatten geben wird. Und ich muss meine Proxyeinstellungen ändern, sodass ich Musik über Pandora hören kann (weißt du, ich hab bestimmt über 300 Euro nur mit Empfehlungen von Pandora umgesetzt, und ich konnte es nicht lange nutzen. Du weißt schon, ausserhalb der USA gesperrt und so) und dass ich mir auch weiterhin Videos über Youtube anschauen kann.

Mittlerweile bist du ja so clever, dich selbst zu zerhacken.

R.I.P.

Artikel bei Spreeblick über Raubkopierer.

Kommentar? Gerne!

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑